Detailansicht Klinken

Auf den ersten Blick sind Klinken relativ unspektakuläre Gegenstände. Dennoch erfüllen sie eine unglaublich wichtige Funktion, die uns erst dann vollauf bewusst werden würde, müssten wir plötzlich auf Klinken verzichten. Sie sind - im wahrsten Sinne des Wortes - Türöffner. Alle Türen der Welt blieben verschlossen, würde man ihre Klinken abmontieren. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung erfüllt - um im Bilde zu bleiben - ebenfalls eine Türöffnerfunktion, allerdings eine intellektuelle. Seit Jahrzehnten schließt sie Interessierten - sei es über Publikationen, Veranstaltungen oder auch Stipendien und Forschungsprojekte - neue Wissenshorizonte auf und leistet damit einen kaum zu überschätzenden Beitrag für eine solidarische und progressive Gesellschaft.

Mich selbst verbindet mit der RLS eine lange Geschichte und ich denke immer wieder mit Freude an meine Zeit im Bundesvorstand zurück, dem ich zwischen 2010 und 2014 angehörte. Das undogmatische Profil der RLS und der intellektuelle Reiz, scheinbar widerstrebende Argumente miteinander ringen zu lassen, haben bis heute eine ungeheure Anziehungskraft auf mich. Diese Eigenschaft muss sich die RLS gerade jetzt, in einer Zeit der wachsenden gesellschaftlichen Polarisierung, unbedingt erhalten.

Dass nunmehr bald der Umzug der RLS in ein neues Refugium in Angriff genommen werden kann, freut mich umso mehr, da ich jahrelang selbst am Gelingen dieses Langzeitplanes mitgearbeitet habe und noch sehr genau um die diversen Probleme und Herausforderungen weiß, vor die ein derartiges Mammutprojekt alle Beteiligten stellt. Der neue Standort in der Nähe der East Side Gallery ist aus gleich mehreren Gründen beachtenswert, spiegelt er doch die wechselvolle Geschichte wider, in die ein Denken, das das Rubrum „sozialistisch" für sich reklamiert, im 20. Jahrhundert eingebunden war. Dieses alles lässt mich persönlich demütig, aber gleichsam hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Vergessen wir nie, dass wir auch für unsere Gedanken Verantwortung tragen und es das oberste Ziel der Stiftungsarbeit sein muss, Menschen zu mündigen, solidarischen und demokratischen Bürgerinnen und Bürgern zu bilden.

Für diese große Aufgabe wünsche ich dem ganzen Haus - den Haupt- und Ehrenamtlichen, den Referentinnen und Referenten, dem Vorstand und allen Mitarbeit innen und Mitarbeitern - von Herzen alles Gute!

Bodo Ramelow
Erfurt, 4. August 2020