Wettbewerb und Entscheidung
PP: Lieber Herr Krumrey, fangen wir doch beim Wettbewerb an, den die Rosa-Luxemburg-Stiftung für das Kunst-am-Bau-Projekt durchgeführt hat.
AK: Manche würden vielleicht sogar sagen, dass der ganze Wettbewerb - noch bevor wir ihn begonnen hatten - nur ein Abhalten von der eigentlichen Arbeit war. Es war ein bisschen, ich will nicht sagen lästig, das klingt so abwertend, aber man wollte sich in Anbetracht der komplizierten Genese des Bauvorhabens lieber auf das eigentliche Bauen konzentrieren, die Ausschreibungen für die einzelnen Baugewerke organisieren usw., als noch einen Wettbewerb durchführen zu müssen, nachdem wir ja auch schon einen offenen, zweiphasigen Architektenwettbewerb gemacht hatten. Wir hatten dahingehend zwar ein paar Erfahrungen, aber es war schon ein bisschen hinten drangehängt. Wir haben dann aber mit dem Büro für Kunst im öffentlichen Raum aus Berlin sehr gut zusammengearbeitet.
Das Büro hat uns bei der Aufgabenstellung geholfen und dadurch kriegte man immer mehr Lust und Freude daran. Es war schnell klar, dass wir auch diesen Wettbewerb offen ausloben, also nicht im Sinne von, wir suchen uns 25 Leute heraus und von denen wird es einer, sondern wir machen das offen, weil eine richtige Vorstellung, was da kommen kann, hatten wir nicht. Was wir nicht wollten, war etwas, was das Gebäude als solches komplett verändert. Das wollte der Architekt natürlich auch nicht…
Uns hat diese klare und stringente Idee [des Projektes „262 Klinken“] sehr zugesagt, weil das Gebäude dadurch erstens nicht massiv verändert wird und es zweitens nichts Überkandideltes oder rein Abstraktes, sondern etwas Handfestes war.
PP: Wir haben uns an einem Montagmorgen um 08:30 Uhr in einem Büro im Fachbereich Architektur an der Alanus Hochschule getroffen und wollten uns diesen Wettbewerb angucken, um zu überlegen, ob wir uns daran beteiligen wollen, ob das interessant ist. Wir wollten es uns nur angucken und überlegen. Wir hatten nicht mehr als anderthalb Stunden eingeplant und waren relativ schnell an dem Punkt zu sagen, das Gebäude selbst ist so skulptural mit diesen X-Stützen und eine Landmark hier in diesem Ensemble. Es macht eigentlich keinen Sinn, da jetzt noch mal mit Kunst drauf zu gehen. Wir haben auch die Stiftung mit ihrem Anliegen so verstanden, dass es gar nicht darum geht, jetzt über die Kunst noch einmal eine visuelle Strahlkraft zu entwickeln.
Dann war relativ schnell klar, wir müssen an die Mitarbeiter:innen auf der einen Seite und an dieses Internationale auf der anderen Seite heran. Und dann sind wir über Lichtschalter gestolpert. Wir hatten das Gefühl, wir wollen nicht ein dickes Ding irgendwo hinstellen, sondern es muss wie eine Akupunktur im Gebäude sein. Es muss eine Erklärbarkeit und eine Geschichte an einem Lichtschalter hängen. Wir haben gedacht, einen eigenen Lichtschalter zu entwickeln und dann waren auf einmal die Türklinken da und die Idee, eine eigene Türklinke zu entwickeln. Es gibt eine eigene Türklinke für alle Türen. Wir bauen eine Türklinke.
WJB: Wir haben den Tag über hin und her geschrieben und telefoniert und irgendwann war dann klar, wir müssen die Klinken tauschen, und zwar mit den Menschen, die hier arbeiten und die in der ganzen Welt verteilt sitzen. Das war dann dieses Bild von „die Rosa-Luxemburg-Stiftung wirkt in die Welt“ und „die Welt wirkt in die Rosa-Luxemburg-Stiftung“. Und das war einfach schlüssig.
Wir haben uns auch gesagt, dass wir in Wettbewerben so oft irgendwelche Skulpturen, im Außenraum konkrete Objekte entworfen, wir müssen jetzt etwas Radikales machen. Dann haben wir diesen ersten Entwurf für die erste Phase gemacht.
AK: Genau diese nachvollziehbare Klarheit im Konzept hat alle wirklich überzeugt. Die Künstler in der Jury, die konnten das alles gedanklich noch wieterentwickeln und sich da wiederfinden und die eher pragmatisch Orientierten, zu denen ich mich auch zähle, die haben dann einfach diese Klarheit erkannt und dass man so die Rosa-Luxemburg-Stiftung auch symbolisieren kann. Du beziehst die Partnerinnen und Partner mit ein, und das müssen nicht bloß Leute sein, mit denen wir zusammenarbeiten, sondern da kann auch jemand seine private Klinke mitbringen und über die Geschichte erzählen, wie er zur Stiftung gekommen ist und was sie verbindet.
PP: Wir fanden auch die Beteiligung der Mitarbeiter:innen auf der einen Seite total gut und auf der anderen Seite, dass wir eben als Künstler nicht in so einem Personenkult auftauchen. Dass wir uns da rausnehmen und in die kuratorische Praxis gehen…
WJB: …und auch die damit verbundene Upcycling-Idee aufgreifen, das zu nehmen, was da ist. Das ist eine Art von Umverteilung. Es geht gar nicht so sehr darum, etwas ganz Neues zu schaffen, sondern das Neue entsteht dadurch, dass man Dinge neu organisiert und umverteilt. Das finde ich auch eine schöne Idee, auch und vor allem wenn wir heute sehen, was politisch-gesellschaftlich los ist.
Beteiligung der Mitarbeitenden
AK: Wichtig war die Partizipation für uns auch. Partizipation ist ja gerade in unserer Stiftung ganz elementar. Allerdings: In der Mitarbeiter:innenschaft war das jetzt nicht nur ein großer Jubel, weil jeder es unterschiedlich aufgefasst hat. Der eine hatte Angst, dass er eine Klinke bekommt, mit der er vielleicht für unpraktisch hält. Womit er die Tür nicht aufkriegt, die abfällt, wenn man dranfasst oder dass da möglicherweise irgendeine Klinke an seiner oder ihrer Tür landet, die dann mit einer Geschichte verbunden ist, die man selbst nicht besonders clever findet. Der ein oder andere hat auch den Aufwand gescheut, aber im Großen und Ganzen ist es sehr positiv aufgenommen worden. Bis heute sind es ca. 50 Klinken, die wir dann tatsächlich umgebaut haben, aber das ist ja recht gut, weil das schon ungefähr einem Drittel der Kollegen hier im Haus entspricht.
Erschwerend für den Beteiligungsprozess war sicherlich, dass das Haus nach Fertigstellung nicht sofort voll besetzt war, viele Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice waren und deshalb zwar direkt von dem Projekt gehört haben und sich auch etwas darunter vorstellen konnten, aber damit nicht täglich konfrontiert waren und es keine unmittelbaren Berührungspunkte gab.
Jetzt kommt es viel häufiger vor, dass Mitarbeitende denken „Mist, ich habe gar keine Klinke getauscht“. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass das Projekt Nachwirkungen haben wird und vielleicht noch perspektivisch neue Klinken kommen werden. So war das Projekt ja auch von Anfang an gedacht.
Der ungeplante Klinkentausch
PP: Es war ein langer Prozess. Es war intensiv. Für mich gibt es ein paar wichtige Meilensteine und einer war, dass wir uns nach dem Wettbewerb mit den Architekten getroffen und dann gefragt haben: „Bleibt es bei der schwarzen HEWI Türklinke, wie in der Ausschreibung angegeben?“ „Lasst uns im Büro treffen“ hieß es dann. So haben wir uns dann im Büro getroffen und vorsichtig gefragt: „Ja, also könnt ihr euch vorstellen, vielleicht eine andere Klinke zu nehmen?“ „Nein, es muss die schwarze HEWI Türklinke sein.“ Wir hatten uns vorher gesagt: „Egal was ist, wir lassen uns darauf ein, auf die Dinge, so wie sie sind und gucken, wie wir damit umgehen.“
Dann haben wir schwarze HEWI Türklinken bestellt und haben diese schöne weiße Gravur da rein gemacht und haben gedacht, das ist wirklich ein schönes Objekt und dann ein Telefonat mit Ihnen gehabt: „Ja, gut, dass wir miteinander sprechen. Wir hatten gestern eine Baukreissitzung, wir haben uns noch einmal...“ - zu dem Zeitpunkt hatten wir vermutlich schon 40 Klinken produziert und teilweise schon getauscht - „Ja, also wir haben jetzt noch einmal überlegt und es werden jetzt schwarze Türen mit Edelstahlklinken“. Da haben wir erst mal gedacht: „Wow! Krasse Entwicklung und eigentlich ist das Projekt abgeschlossen, weil alle Klinken schon getauscht worden sind!“
Das ist jetzt überhaupt kein Vorwurf. Im Grunde war es richtig gut, weil das die Prozesse genauso abbildet, wie sie sind, dass nämlich Dinge entschieden werden, und dann werden sie doch wieder angepasst. Ganz normale Vorgänge.
AK: Der Hintergrund war im Übrigen ein Gespräch mit der Behindertenbeauftragten des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Unser Anspruch war es, ein möglichst vollständig barrierefreies Haus zu sein. Sie machte uns darauf aufmerksam, dass neben den klassischen Sachen - keine Türschwellen usw. – oft die Farbe bzw. ein ausreichender Kontrast bei Schaltern oder Türklinken vergessen wird: „Wenn die die gleiche Farbe hat wie das Türblatt, dann gibt es bei Menschen mit einer Sehbehinderung Probleme.“ Und bei unserem ursprünglichen Entwurf mit der schwarzen HEWI Klinke und dem anthrazitfarbenen Türblatt, da ist der Kontrast nicht groß genug. Da müssen wir umdenken. In dem Moment war bei uns das Kunst-am-Bau-Projekt, obwohl wir das schon vergeben hatten, nicht präsent.
PP: Ich saß im Büro oben und habe mir gedacht: „Krass!“ Und dann direkt wieder „Ja, müssen wir jetzt die schwarzen Klinken zurückrufen“? Was bedeutet das jetzt für das Projekt?“, aber dann sehr schnell auch „Okay, das ist ja genau, worum es geht, genau diese Prozesse zu akzeptieren.“
Analog und Digital
AK: Wirklich gut an dem Projekt ist, dass trotz der klaren Struktur, der klaren Zielstellung und was man damit erreichen will, das so hinreichend offen war, dass man es auch immer wieder den konkreten Bedürfnissen anpassen konnte. Klar war ja, dass wir zum Beispiel eine Webseite machen wollen. Aber so richtig klar, wie man auf die Webseite kommt und wie man die Klinke, die in der konkreten Tür eingebaut ist, mit der Webseite verbindet, war ja auch ein Diskussionsprozess. Da ist man dann bei dem QR-Code gelandet. Was auch eine sehr gute und moderne Methode ist, um dann sowas bekannt zu machen.
PP: Das Projekt war immer auch Kommunikation, wir kommen nach Berlin in die Stiftung, stellen das Projekt noch einmal vor. Einzelne zu erleben, die sich sofort angesprochen fühlen, sofort anfangen: „Ja ich könnte mit dem und dem tauschen“. Und dann diese Momente, wo bei uns ein Päckchen ankommt, von irgendwo her.
WJB: Es war jedes Mal wie Weihnachten…
PP: … Und bei mir kam immer sofort der Gedanke „So ein schönes Stück!“ und direkt danach „wie dick ist dieser Schaft? Was brauch ich für einen Adapter? Muss ich wieder neue Riegel anschweißen? Wie ist es als Objekt, auf der einen Seite? Trägt es eine passende Geschichte, andererseits?“
Wir haben wunderschöne Klinken bekommen, z.B. von der Wiesenburg. Ich bin mir sicher, die haben die mit dem Vorschlaghammer ausgebaut. Da habe ich dran rumgelötet und geschweißt und versucht, diesen viereckigen Schaft tiefer zu kriegen. Da sind total verrotzte Dinger dabei, aber immer diese Fragen, was ist das für ein Objekt und wie kann es technisch funktionieren?
WJB: Dann war auch noch die Geschichte mit Profilzylindern [Türschlösser]. Irgendwann im Planungsprozess war klar, es werden Elektronik-Zylinder verbaut. Das ist auch ein sehr gutes Beispiel für die Vorstellung, die man erst einmal hat: „Ja, das sieht doch sch… aus.“. Aber jetzt in der Praxis ist es überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, sie ergänzen sich wunderbar: Dieser digitale Zylinder unten und dann oben diese ganz analoge Klinke.
Sachbeschädigung am Mietobjekt?
AK: Wir haben dann auch, um das Projekt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein bisschen präsenter zu machen, diese Tür-Hängeschilder von Ihnen bekommen [mit einer kurzen Projektbeschreibung und einem Aufruf an alle Mitarbeitenden zum Klinkentausch]. Eines Tages hingen diese im Gebäude am Franz-Mehring-Platz, wo wir noch zur Miete waren, an allen Türen. Das führte bei der Vermieterin zu erheblichen Irritationen. So wurde befürchtet, dass jetzt alle Leute angehalten seien, die Türklinken auszubauen, um diese gegen andere zu tauschen. Das sei aber Sachbeschädigung. Das Missverständnis konnte kurze Zeit später zwar ausgeräumt werden, dennoch mussten wir die Hängeschilder alle wieder abnehmen, damit da nicht irgendeiner auf die Idee kommt, da vielleicht wirklich die Türklinke aus dem Mietobjekt irgendwohin zu schicken. Das war auch wieder eine spannende Anekdote. Ich bin mir heute gar nicht so sicher, ob wir nicht letztlich sogar auch eine Tauschklinke vom Franz-Mehring-Platz 1 bekommen haben.
PP: Ich hatte viele sehr schöne und herzliche Begegnungen. Wenn ich dann mit der Türklinke gekommen bin, dann war das oft so: „Ach, da ist er endlich!“ Und dann baue ich die Klinke ein und kriege nebenher so mit, was auf dem Flur passiert, was im Büro passiert, was wird da kommuniziert. Ich bin langsam zu einem Mäuschen geworden, was einfach dasitzt, die Klinke einbaut und ganz langsam in das ganze Milieu eintaucht. Gestern war so eine schöne Szene. Da habe ich eine Klinke verbaut und dann geht irgendwo eine Tür auf und einer ruft: „Hört mal, habt ihr die aktuellsten Nachrichten gehört?“ Und ich habe gedacht, „Oh, nein! Was kommt denn jetzt bitte?!“, irgendein Amoklauf oder die erste Atomrakete schlägt irgendwo ein oder keine Ahnung was. Und dann alle so, „Nee, was ist passiert?“. „Ja, die Baerbock hat sich durchgesetzt, die liefern jetzt die und die Waffen an!“ Dann kamen sie alle aus den Büros raus und dann wurde da hitzig diskutiert. Das war total spannend.
Es waren schöne Begegnungen, wo ich einerseits als Handwerker da auftauche, aber andererseits in dieses Milieu eintauche.
WJB: Das sind die Begegnungen hier im Hause. Parallel hatten wir ja auch online die ganzen Begegnungen mit den Tauschpartner auf der ganzen Welt, die vor allen Dingen dann über E-Mail und Schriftverkehr hin und her gingen. Das waren auch sehr schöne Korrespondenzen mit den einzelnen Partnern.
AK: Ganz spannend, dass die Klinke eine Begegnung organisiert. Eigentlich ohne, dass man sie direkt nutzt, sondern weil man miteinander in Kontakt kommt. Weg vom haptisch Anfassbaren, hin zum Gespräch, zum Theoretischen. Interessant.
Lieblinge und Diskussionsfälle
WJB: Gibt es für Sie eine Lieblingsklinke?
AK: Für mich gar nicht so richtig. Es gibt natürlich ein paar Sachen, die man immer wieder erwähnt, wenn man Leute durchs Haus führt. Selbstverständlich die Klinke bei der Vorstandsvorsitzenden, die Nelson Mandela schon angefasst hat. Die ist schon recht eindrucksvoll. Die aus der Thüringer Staatskanzlei ist natürlich auch etwas Besonderes. Die Geister scheiden sich massiv an der Klinke der Roma-Organisation aus Polen.
WJB: Ja, das habe ich gestern auch verfolgt…
AK: Dieser handgeschmiedete Drachenkopf, der ist wirklich fifty-fifty. Der sorgt in jedem Fall für Diskussionen. Ich finde den sehr eindrucksvoll, aber er ist nicht übermäßig praktisch. Schön ist aber, dass die meisten Klinken eine ganz individuelle Geschichte haben, die sich um sie rankt und genau das war ja eigentlich auch ein Ziel des Projekts. Das man über die Klinke tatsächlich auch Geschichten erzählen und Projekte vorstellen kann…
WJB: …und Themen aufmacht.
AK: …Ja, Themen aufmachen. Auch ein Stück weit politische. Insofern ist es auch wichtig, dass eine Klinke aus dem Ahrtal dabei ist, auch wenn der Kollege, der dem thematisch sehr nahesteht, also nicht dem Ahrtal, sondern den Klimawandelfolgen, das jetzt nicht genial findet, weil er sich stark mit seiner ursprünglich eingebauten Klinke arrangiert hat. Aber sowas finde ich dann gut. Auch die Klinke von der Tür, die auf dem Rhein schwamm oder zumindest in den Rheinwiesen lag. Die Sachen, die Sie so gemacht haben, sind für mich spannende Sachen. Die sind jetzt möglicherweise gar nicht dem ursprünglichen Konzept entsprechend, aber so ein bisschen adaptiert und haben eine ganz eigene Geschichte. Es ist schon spannend, dass man die natürlich irgendwo auch mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Verbindung bringen kann
PP: Wenn Sie von dem Kollegen sprechen: Es ist interessant, dass sich das aufspaltet. Einerseits eine klare Vorstellung von Werten, ein Eintreten für bestimmte Werte. Und auf der anderen Seite dann eine totale Verhaftung am Haptischen. Das habe ich auch immer wieder gedacht, wie sich das aufspaltet. Total gut. Ich habe mal gemerkt, ich gehe da gar nicht in den Widerstand. Wenn ich merke, dass jemand eine bestimmte Klinke nicht oder überhaupt keine neue Klinke haben möchte, dann macht es auch keinen Sinn, dem eine einzubauen.
AK: Es ist ein komisches Zusammenspiel: Die Linke, als progressive, gesellschaftsverändernde Kraft hier und andererseits doch manchmal das Hängen am Bestehenden. Mitunter kann man das Projekt aber gut finden, ohne sich selbst daran zu beteiligen.
Die Welt als Klinke
PP: Von dem Tag an, als wir den ersten Entwurf hatten, sind wir durch die Gegend gelaufen und die Welt hatte sich massiv verändert, weil überall plötzlich Klinken waren.
AK: Ja, als ich Vater wurde, habe ich plötzlich auch überall nur noch Kinderwagen gesehen. Genau so kann ich mir das bei dem Projekt auch vorstellen. Plötzlich sieht man überall Klinken und denkt „Oh, wie würde sich die machen und welche Geschichte steht da hinter.“ Ich kann das gut nachvollziehen.
PP: Da steht man an irgendeiner fremden Tür und fingert an der Türklinke rum und Leute, die vorbeigehen denken, „Was ist mit dem nicht richtig?“.
WJB: Wir haben uns ständig gegenseitig Fotos von Türklinken geschickt. Die Leute haben sich dann auch gefragt, „Wofür fotografiert der jetzt eine Türklinke?“.
AK: Ja, jeder hat seinen Fetisch…
WJB: Mein Rechner ist voll mit Türklinken. Fotos ohne Ende. Wir haben gerade nachgesehen, wir haben um die 800 Fotos allein hier aus dem Gebäude gemacht.
Ausblick
AK: Insgesamt ist das Projekt mittlerweile auf allen Etagen präsent. Viele Kolleginnen und Kollegen sind dadurch, dass sie mit dem Projekt jetzt direkt konfrontiert sind, auch deutlich aufgeschlossener geworden. Das ist Ihr Verdienst. Und auch wenn wir jetzt den Abschluss des kuratierten Prozesses machen, heißt es ja nicht, dass man sich da generell aus den Augen verlieren muss. Sie sind natürlich herzlich willkommen, um zu schauen, wie es den Klinken geht.
PP: Aber irgendjemand anderes muss sich jetzt reinfuchsen und das Gerümpel auseinanderbauen und die Klinken einbauen.
AK: Der Hausmeister ist schon vorgewarnt, dass die praktische Arbeit jetzt auf ihn zukommt, aber betreuen werde ich diesen Prozess weiterhin.
PP: Ich verstehe Skulptur in erster Linie als psychologische Dimension. Man meint immer, es geht um Material und Oberflächen und sowas. Aber es geht natürlich um Erlebnisse und Atmosphären. Dahinter steckt eben diese ganze Kommunikation darüber. Dass eine ist das Erlebnis mit der Klinke und das andere ist, wenn dann die Kommunikation losgeht. Und insofern freuen wir uns und sehen den Kern des Projektes da, wenn das weitergeht und wenn darüber diskutiert wird, wenn darüber neue Geschichten entstehen.
Es entsteht sofort eine warme Komponente und etwas ganz Konkretes am Ort. Das war auch unser Anliegen: Wenn man an so einer kleinen Stelle etwas ändert, kann das letzten Endes große Auswirkungen auf die Atmosphäre haben.
WJB: Vielen Dank Herr Krumrey!