Ja, es gab schon einige Verwunderung, als wir im Ergebnis des zweiphasigen Wettbewerbs „Kunst am Bau“ das „Klinkenprojekt“ zum Sieger kürten.
Bei näherer Betrachtung allerdings erschließt sich schnell der Bezug zum Neubau der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Berliner Straße der Pariser Kommune, vor allem aber zu Inhalt und Anspruch der Arbeit unserer Stiftung.
Wer macht sich schon Gedanken über Klinken? Dennoch, sie sind immer da, öffnen Türen oder schließen sie, man gibt sich die Klinke in die Hand, man bekommt mit ihrer Hilfe den Fuß in die Tür…
Klinken haben ihre Geschichte, ihr eigenes Design und eine Herkunft.
„Kunst am Bau“ war für uns nicht einfach nur Verpflichtung, entsprechend der geltenden Regelungen einen Teil der Baukosten für Kunstwerke zu verwenden, sondern ermöglichte uns, die Tätigkeit einer linken politischen Stiftung künstlerisch zum Ausdruck zu bringen.
So simpel es zunächst klang, was uns die Professoren Willem-Jan Beeren und Paul Jonas Petry von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft da als Idee vorgelegt hatten, so muss man trotzdem erstmal auf eine solche kommen.
Aber schnell war sich die Jury einig: Das ist es.
Die Türen im Neubau sollten Klinken von Gebäuden bzw. Räumen bekommen, die einen besonderen Bezug zur RLS hatten, weil dort Partnerorganisationen zu Hause sind, sie mit Projekten verbunden sind oder weil deren Geschichte Teil linker Geschichte ist.
Zugleich wechseln Klinken aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung ebendahin. Damit sollte der Klinkentausch zum Versprechen werden, weiter in Kontakt zu bleiben.
Bislang konnten ca. 50 Klinken getauscht werden. Darunter sind durchaus betagte Exemplare, teils Unikate und handwerklich geschmiedete. Ein Blick auf die Herkunftsorte der Klinken verdeutlicht den internationalen Charakter unseres Kunstprojektes, so wie ja auch die Stiftung in mehr als 80 Ländern arbeitet.
Eine besonders schöne Klinke findet man in der 8. Etage. Sie kommt aus der heutigen Gedenkstätte des Antiapartheidkampfes in Liliesleaf, im Norden von Johannesburg. Die Farm wurde Anfang der 60er Jahre zum Unterschlupf von AktivistInnen des ANC, unter ihnen Nelson Mandela. Vielleicht hat er diese Klinke mal in der Hand gehabt?!
Mit unseren Klinken verbinden sich ganz besondere Geschichten, die zu erkunden zugleich ein Entdecken der Vielseitigkeit der Stiftungsarbeit ist.
Das Klinkenprojekt ist außerdem ein Entwicklungsprojekt. Wir hatten nicht den Anspruch, sofort alle etwa 150 möglichen Klinken zu ersetzen (aus Sicherheitsgründen können es natürlich nicht alle Klinken des Hauses sein, die ausgetauscht werden).
Stück für Stück kommen neue hinzu, werden uns zugeschickt oder übergeben. Dazu kommen dann die Geschichten, die per QR-Code neben der Tür und künftig auf unserer Website nachlesbar sind.
Mein Dank geht an die Professoren Beeren und Petry für ihre großartige Idee und die engagierte Begleitung der Umsetzung. Sie haben nicht nur die Idee beigesteuert, sondern auch ihre handwerklichen Fähigkeiten beim Einbau der Klinken.
Die Klinken sind eine gelungene Abrundung für das Haus einer linken Stiftung, die sich dem Internationalismus verpflichtet fühlt.
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Dr. Dagmar Enkelmann
ehem. Vorsitzende des Vorstandes
Mitglied des Vorstandes 2010-2022
Rosa-Luxemburg-Stiftung