Nachricht | Die Kunst mit der Klinke

Vernissage der Wettbewerbsbeiträge im Kunst-am-Bau-Projekt

Im Mai 2016 hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung den Siegerentwurf beim Architekten-Wettbewerb um den Neubau des Stiftungsgebäudes gekürt. Ein reichliches Jahr später kann sich das kommende Gebäude unweit des Berliner Ostbahnhofs mit einem weiteren Wettbewerbssieger «schmücken»: Die Arbeit «262 Klinken» gewann den ersten Preis beim Wettbewerb zur Kunst am (Neu)Bau der Stiftung. Der Wettbewerb war deutschlandweit offen ausgeschrieben worden. 

Vorgestellt wurden die Kunst-am-Bau-Sieger am Dienstag (11. Juli 2017) bei einer Vernissage in der ersten Etage des derzeitigen Stiftungssitzes am Berliner Franz-Mehring-Platz. Präsentiert wurde dabei nicht nur das Siegerkonzept, sondern bis zum 21. Juli können sich Besucher und Interessierte alle 89 eingereichten Arbeiten ansehen. 

Bei der Eröffnung der Vernissage erinnerte sich die Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dr. Dagmar Enkelmann, an den Moment, als sie den Siegerentwurf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung vorstellte. Für ihre Bemerkung, dass es um Klinken gehe, hätte sie erst einmal auch erschrockene Blicke geerntet - was hätten denn Klinken mit Kunst zu tun? 

Als Antwort hatte Enkelmann bei der Vernissage jede Menge Sprachbilder parat. Um Mittel von ihren Zuwendungsgebern zu erhalten, müsste die Stiftung oft «Klinken putzen gehen». Auch geben sich die Besucher, wenn sie zu Veranstaltungen kämen oder dem Haus ihre Projekte vorstellten, buchstäblich die «Klinke in die Hand» - und selbst in ihrem Büro wäre das öfter so, bekannte die Vorstandsvorsitzende. Und schließlich wolle die Stiftung mit ihrer Arbeit im In- und Ausland im Sinne des Wortes Türen öffnen.

Was sie am Siegerentwurf aber besonders überzeugt habe, sei, dass «262 Klinken» - für jeden Raum im neuen Gebäude ist eine eingeplant - ein Mitmach-Projekt ist. «Die Klinken werden nicht von den Künstlern geliefert, das müssen wir selbst tun», erläuterte Enkelmann. Und es ginge nicht im engeren Sinne um den Gegenstand selbst, sondern vor allem um die Geschichte, die hinter der jeweiligen Klinke stecke, woher diese komme, von welchem Partner der Stiftung, womit sich der Gegenstand also auch symbolisch verbindet.

Die Geschichten ließen sich, schaute Enkelmann in die Zukunft, in einem Katalog zusammenfassen oder in einem virtuellen Rundgang durch das neue Haus einbinden. «Das Projekt macht auch Lust darauf, das Haus zu besuchen - zum Beispiel bei einem Tag der Offenen Tür.»

Anschließend lobte Jury-Vorsitzender Henrik Mayer, selbst Bildender Künstler in der Projektgruppe REINIGUNGSGESELLSCHAFT, die Stiftung für den Kunst-am-Bau-Wettbewerb. Mit dem deutschlandweit offenen anonymen und zweiphasigen Wettbewerb habe die Rosa-Luxemburg-Stiftung «Mut und Engagement bewiesen», betonte er. Auch sei der Auftrag an die Künstler, mit ihrer Idee dem Stiftungsauftrag, sich für politische Bildung, Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Emanzipation sowie für einen kritischen Blick auf die Gesellschaft einzusetzen, eine hohe Messlatte gewesen. Nach seiner Einschätzung haben alle Künstler, die sich am Wettbewerb beteiligten, dem Geist von Emanzipation und Gerechtigkeit Raum gegeben und seien mit der öffentlichen Präsentation ihrer Werke nun auch eine Art Gewinner, bilanzierte Mayer.

Auch er zeigte sich vom Gewinnerkonzept der «262 Klinken» angetan. Dieses sei ein zunächst sensibler Eingriff, es gebe keine große Geste, aber doch die punktuelle Möglichkeit, «etwas Aufscheinen zu lassen, eine Verunsicherung zu erzeugen und einen Perspektivwechsel zu ermöglichen.» Auch für Mayer ist letztens Endes die Erzählung, die sich mit dem Klinkentausch verbindet, das Wichtigste. Durch das haptische Erlebnis, die Klinke in die Hand zu nehmen, würden wir auf einen Umstand hingewiesen, der unsere Arbeit und unser Leben bestimmt - dass wir nämlich Teil einer Gesellschaft und von Netzwerken sind.

Das dreiköpfige Künstlerkollektiv, das den Gewinnerbeitrag einreichte - Prof. Willem-Jan Beeren und Prof. Paul Jonas Petry sowie Prof. Dr. Thomas Schmaus – alle drei lehren auch an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn - schilderten so dann gemeinsam, wie sich das Projekt entwickelte. Sehr schnelle sei ihnen klar gewesen, dass sie sich am Wettbewerb beteiligen wollen. Ihr sollte jedoch nicht in Konkurrenz zur Architektur des Gebäudes stehen, sondern das Gebäudeinnere erfassen.

Damit unterscheidet sich der Siegerentwurf sichtbar von nahezu allen anderen eingereichten Vorschlägen. Diese sahen zumeist vor, die markante Fassade des künftigen Stiftungssitzes um weitere, vielfach originelle Ideen zu ergänzen.

Für die drei Wettbewerbssieger haben die 262 Klinken, wie sie sagen, ebenfalls eine weithin übertragene Bedeutung. Diese seien auch als Türöffner zu verstehen - sogar in dem Sinne, dass am Ende die ganze Welt bei der Stiftung zu Gast sein könne. Ihre Idee stelle zwar keine explizit politische Kunst dar, aber doch eine, die über oftmals getrennte Kulturen und Regionen Brücken zu schlagen vermag - und das könne in der heutigen, so zerrissenen Welt schon viel bedeuten.

Als ersten, wenn man so will, «Stein» für diese «Brücke» übergaben die Wettbewerbssieger eine erste Klinke an Dagmar Enkelmann. Bislang habe man mit dieser Klinke die Tür öffnen können, die zum Atelier ihrer Kunstwerkstatt führte.

Dazu passend hatte Dagmar Enkelmann schon zuvor die Hoffnung geäußert, dass die Stiftung sehr darauf setze, die Kunst am Bau in absehbarer Zeit im Bau selbst präsentieren zu können, wenn das neue Gebäude der Stiftung bezugsfertig ist.